Schöne neue Müllzeit

Müllzeit

 

In den 10 größten Städten der Welt leben über 200 Millionen Menschen! Hier finden sie eine Liste der 50 größten Städte. WIKI

In den 40 größten Städten über 400 Millionen. Da sind Berlin, Hamburg oder Wien nicht dabei, auch nicht Paris oder Madrid, nein, auch nicht Rom mit läppischen 2,7 Millionen!

Megacities

Haben sie den Film gesehen? Michael Glawogger hat darin mit bekannter Tiefgründigkeit eine unglaubliche Unterwelt aufgezeigt. Unterwelt? Oder doch die Basis der momentan so gelobten kapitalistischen Weltsicht?

Was dort sichtbar wird ist der erschreckende Moloch eines Wirtschaftssystems, das sich seiner Wurzeln nicht mehr bewusst ist und, gewollt oder nicht, auf einer zerbrechlichen Basis steht. Diese Basis, die Müllmenschen dieser Welt, die ganz am Ende der Wohlstandsnahrungskette stehen, so sie noch können, mit den Füßen im Müll, den die Anderen hinterlassen.

Es gab eine Steinzeit, eine Bronzezeit und auch eine Eisenzeit. Viele Architekten und Bauherren würden gerne eine Glaszeit ausrufen, weil die gläsernen Paläste der Unvernunft gerade in den Himmel wachsen. Wohl wissend, dass sie NICHT nachhaltig sein können, sondern in ungeheurem Ausmaß Energie verschwenden, für eine kleine „Elite“ und den umworbenen Mittelstand.

Nein, es gibt keine Glaszeit, diese ist nur kurz aufgeflackert, aber längst obsolet! Wir leben heute in der Müllzeit, in der Zeit der absurden Verschwendung aller Ressourcen und deren Verwandlung in Müll.

Alles, was wir hinterlassen, ist Müll oder wird Müll werden. Ausgesaugt, seiner Energie beraubt treibt ein riesiger Wirbel von Plastikmüll durch den Ozean und hinterlässt eine Spur des Todes.

Auf Müllbergen gigantischen Ausmaßen leben Millionen von Menschen und ringen diesem Müll auch noch den letzten Mehrwert ab. In Bombay, New York oder Bukarest, Alexandria oder Tokio fristen sie ein menschenunwürdiges Leben. Sie sind so weit von „uns“ entfernt, dass sich nicht einmal eine NGO findet, ihnen zu helfen. Warum? Kein Fundraisingpotential! Da ist nichts zu holen!

Nun gründet sich jede Gesellschaft auf eine breite Basis der „ganz unten“. Ob wir es wahr haben wollen, oder nicht, die berühmte Mittelschicht gibt es gar nicht. Wenn wir alle Menschen zusammen sehen, dann ist die sogenannte Mittelschicht eine hohe Oberschicht, die ständig um ihre Privilegien fürchtet. Wo liegt die Mitte?

Die Müllmenschen der Welt bilden die Ursuppe der kapitalistischen Lebensart. Wir alle stehen auf dieser explosiven Basis. Darüber ein ungeheureres Potential an Armen und Ausgestoßenen.

Sehen wir nicht, wohin das führen wird? Noch ist es nicht soweit, dass diese Menschen ihr Veränderungspotential begriffen haben, noch haben sie den frühkapitalistischen Spruch der aufkeimenden Arbeiterklasse nicht gehört, der da lautet: „Wenn dein starker Arm es will, stehen alle Räder still“!

Was würde denn passieren, wenn die Müllmenschen streiken? Würden sie einfach unbemerkt verhungern? Würden sie auf die Straße gehen, werden sie eines nicht mehr fernen Tages auf die Straße gehen und ihr Recht an der Teilhabe der Gesellschaft einfordern?

Wo sind die Gewerkschaften der Müllmenschen und hungernden? Siehe NGO´s!

Nur auf dieser ungeheuren Basis von Armut und Verzweiflung baut sich die heutige Gesellschaft auf. Auf dem Müll!

Wegwerfgesellschaft ist ein zu schonender Begriff, es sein denn, wir erweitern ihn auch auf Menschen.

Der Sieg des Kapitalismus ist ein Phyrrussieg, ein zu teuer erkaufter Sieg über andere Gesellschaftsformen, ein Sieg, der kommenden Generationen das Leben schwer machen wird.

Im Schlaraffenland, wie zum Beispiel in Österreich, sind diese Bilder fern und unwirklich, aber sie begehren Einlass ins Paradies und „seid ihr nicht willig, so brauch ich Gewalt“.

Sie kommen schon mit Boten über das Meer und finden uns hilflos, weil wir der Rhetorik der Marktwirtschaft glauben, obwohl wir es besser wissen! Wir wissen, dass die Verwandlung von Ressourcen in Müll der falsche Weg ist und diskutieren kleinmütig über das Ja oder Nein zu Plastiksackerln.

Welch Verschwendung an Energie! Wir wissen, wo die Probleme liegen, wir kennen längst unseren Fußabdruck und ignorieren ihn!

Die Müllzeit ist eine Zeit des grenzenlosen Wachstums, der Fehleinschätzung, dass alles wachsen muss, obwohl wir auch das besser wissen! Es gibt kein grenzenloses Wachstum. Es gibt auch kein Problem mit den immer mehr Menschen, die exorbitanten Reichtum anhäufen. Solche Ungleichgewichte löst die Natur von selbst.

Nach dem Satz von der Erhaltung der Energie leben wir in einem, menschlich gesehen, isolierten System. Die Gesamtmenge der Energie bleibt in so einem System konstant! Wer stellt also die Energie für die wenigen Superreichen zur Verfügung? Woher kommt die Energie in den rasant anwachsenden Müllbergen? Die Rechnung muss bezahlt werden und wir werden sie ALLE gemeinsam bezahlen.

Die Müllmenschen in Bombay entziehen dem Müll das letzte Tröpfchen verwertbarer Energie. Ist es da nicht fast ein Frevel, dass wir unseren Müll verbrennen? Ein asoziales Vorgehen, um den Bürgern den Gestank ihres eigenen Mülls zu ersparen?

 

Wir sind längst in der Müllzeit angekommen, auch wenn wir deren Auswirkungen in Mitteleuropa noch nicht sehen wollen.

Nur gelegentlich begegnen uns die Vorreiter einer neuen Zeit, die Müllmenschen. Mir voller Energie steuern wir darauf hin und beten das Hohelied des Kapitals. Der Markt wird es schon richten. Der Markt kann es nicht mehr richten, ohne Millionen Menschen den Tod zu bringen.

Wenn sie einmal gesehen haben, wie das Blut von tausenden toten Hühner in aufgestellten Fässern spritzt und später als Delikatesse verkauft wird, wenn sie gesehen haben, wie Menschen hüfthoch in schwarzem Wasser nach Müll suchen, um ihn zu verkaufen, dann waren sie sicherlich froh, es nicht gerochen zu haben.

Nein, noch wollen wir es nicht wissen, noch ist es nur eine Dokumentation von einem anderen Stern, von einer Welt die es eben nicht geschafft hat. Aber die Wirbel im Ozean dreht sich und unsere eigene Müllspirale dreht sich, egal, ob wir über ein Plastiksackerlverbot der EU reden oder nicht.

Jeden Tag huldigen wir dem Gott des Mülls und hoffen, er zeigt erbarmen, wenn wir in überquellende Mülltonnen unseren Haushaltsmüll versenken.

Willkommen in der Müllzeit!

 

Bernd Schaudinnus